Energieautarke Häuser für Californien

Freitag — 21. Dezember 2018

Da habe ich heute in der Heimat von google, in Mountain View, ein Startup kennengelernt, das sehr untypisch für Silicon Valley ist. Keine Software-Schmiede, kein Tech-Unternehmen - nein, ein Hausbauunternehmen, das Einfamilienhäuser für seine Kunden in Californien realisiert. Das Credo von Jennifer Dickson und ihrem Mann: zero-energy! + Smart Home!

Durchlaufen haben die beiden Founder mit ihrem Startup den bekannten Accelerator „Y-Combinator“ und dort ihr Rüstzeug erhalten, um ihr Geschäftsmodell so zu entwickeln, dass es den richtigen Product-Market-Fit hat. Im Gespräch mit Acre Designs finde ich die Stichworte wieder, die alle Gründer hier als Richtschnur für einen erfolgreichen Start einsetzen: „Pain“ des Kunden erkennen, „Value Proposition“ für das „Customer Segment“ entwickeln, Lean Startup, Pivoting u.v.m. – die Methoden, die einst HP und später google groß gemacht haben, werden nun in allen Startups wie Acre Designs erfolgreich eingesetzt.

Gelernt habe ich, dass Bauen auch in Kalifornien alles andere als einfach ist. Jennifer hält Kalifornien für den härtesten Markt für Hausbauer in den USA überhaupt – Baugrund ist rar, Großprojekte für Wohnraum werden nur noch selten erlaubt und auch Baugebiete für klassische Einfamilienhäuser werden meist nur in Losen zu 10 Grundstücken freigegeben. Die Bauvorschriften sind komplex und Genehmigungsprozesse sind langwierig. Gleichzeitig sind viele Bauherren nicht bereit, für das Besondere eine Preispremium zu bezahlen. In diesem Kontext wurde von Acre Designs das nachfolgende Geschäftsmodell aufgesetzt und nun massiv skaliert.

Acre Designs setzt auf Standardisierung des Bauens! Es werden 2 Typen von Einfamilienhäusern angeboten: Serie A und Serie B, zu denen es verschiedene Ausprägungen und Ausstattungspakete gibt. Mit der Standardisierung gehen erhebliche Effizienzgewinne einher: Ausführungsdetails wurden einmal umfassend entwickelt, validiert und getestet – sie werden nun in allen Häusern eingesetzt und skaliert. Ausführende Firmen arbeiten bei jedem Projekt mit diesen Details, denselben Materialien und durchschreiten damit eine Lernkurve mit erheblichen Effizienzgewinnen.

Acre Designs setzt auf Geschwindigkeit in allen Prozessen, Vermeidung von Verschwendung und reduziert damit Kosten. Diese Einsparungen werden in hochwertige Materialien, Markenprodukte und in Technik für´s Haus „investiert“. Alle (!) Acre Designs – Häuser sind zero-energy-Gebäude und mehr als das: sie produzieren mehr Energie als sie verbrauchen. Alle Häuser des Startups sind „serienmäßig“ Smart Homes!

Interessant ist, welche Kernkompetenzen Acre Designs sich aufgebaut hat:

  1. Forschung + Entwicklung
  2. Design
  3. Methoden der Zusammenarbeit mit Partnern für die Ausführung
  4. Haustechnik + Smart Home-Technik

Während also die Holzfertigteilelemente von einem Partner im Werk industriell vorgefertigt und von einem Netz an Montagefirmen an der Baustelle montiert werden, wird die gesamte Haustechnik in der Werkstatt von Acre Designs vormontiert, konfiguriert und vor Ort von eigenen Mitarbeitern eingebaut sowie in Betrieb genommen. Acre Designs hat erkannt, dass die Haustechnik ein Schlüsselgewerk für die Kundenbegeisterung ist und dieses in die eigene Wertschöpfungskette integriert.

Als Value Proposition bietet Acre Designs -durch die Kundenbrille betrachtet- Zero-Energy Smart Homes, die durch Effizienzsteigerungen zu einem wettbewerbsfähigen Preis angeboten werden können und zusätzlich auf bekannte Marken bei der Innenausstattung setzen. Durch die Brille der Partnerunternehmen für Fertigung und Ausführung geschaut, bietet ihnen Acre Designs einen Weg, Bauprozesse so zu standardisieren, zu skalieren und ertragreich zu gestalten, wie sie es von ihren bisherigen Auftraggebern nicht gekannt haben.

Was hat der Kunde davon? – er erhält ein Einfamilienhaus, das ihm durch Design und die verwendeten Marken bei Küche, Innenausbau und Beleuchtung ein echtes Markenerlebnis verschafft. Über die Lebensdauer des Hauses betrachtet sparen ihm Dämmung, Haustechnik und Smart Home dann erhebliche Unterhaltskosten.

Der deutsche Fertighausbau hat viele der vorgenannten Themen in den letzten 70 Jahren ebenfalls realisiert. Besonders erscheint mir, daß hier in Californien gerade einige Firmen dabei sind, sehr gezielt die Kundenanforderungen zu analysieren und darauf mit der Methodenkompetenz des Silicon Valley -für USA- neue Geschäftsmodelle an den Start bringen. Wer diese Fähigkeit hat, kann auch Geschäftsmodelle am Bau in Europa neu aufsetzen und zum Erfolg führen. Denkt man also einen Schritt weiter und führt das gewaltige bautechnische Know How Europas mit der Fähigkeit der Bay Area, Märkte neu zu erfinden, mit neuen Geschäftsmodellen neue Regeln dafür zu schreiben – ja, diese zu disrupten, zusammen, so entstehen auch für Europa ganz neue Perspektiven.

Der Autor — Marc Natusch.

Ich bin fest davon überzeugt, dass die traditionell starke und professionelle deutsche Bau- und Bauzulieferindustrie erhebliche Wachstumschancen national und international hat, wenn sie die Chancen der Technisierung von Gebäuden, der Digitalisierung von Bau-Prozessen und der Customer Journey konsequent nutzt. Was wir dazu aus anderen Ländern lernen können, will ich auf meiner Reise erfahren.

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